Rezension

Anni Rossi

Rockwell


Highlights: Machine // The West Coast // Wheelpusher
Genre: Pop // Folk // Singer/Songwriter
Sounds Like: Marla Hansen // Final Fantasy // Joanna Newsom

VÖ: 27.03.2009

Gibt es ein Streichinstrument, das weniger Rock ’n’ Roll ist als die Bratsche? Spätestens seit Final Fantasy wissen wir, was man mit einer Violine so alles anstellen kann, und das Cello nimmt insbesondere in der Folk-Szene eine immer wichtiger werdende Rolle ein. Aber der Bratsche scheint dann doch irgendwie die Coolness zu fehlen, um außerhalb der klassischen Musik eingesetzt zu werden. Dass sie aber zu Unrecht viel zu wenig Beachtung findet, stellt die 23jährige Anni Rossi mit ihrem Debütalbum „Rockwell“ eindrucksvoll unter Beweis.

Anni Rossi hat eine klassische Musikausbildung genossen: mit drei Jahren begann sie Violine zu lernen, mit fünf kam das Klavier hinzu. Dieser musikalische Hintergrund äußert sich sowohl in ihrem souveränen Umgang mit der Viola als auch in ihrem Stil, der immer wieder klassische Elemente aufkommen lässt. Und doch ist, was man auf „Rockwell“ zu Hören bekommt, so noch nie dagewesen. Viola, Gesang und Schlagzeug – auf diese drei Elemente beschränkt sich Anni Rossi in ihren Ausdrucksmöglichkeiten. Ungestüm werden Akkorde von den Saiten gerupft, mit dem Bogen wird ohne Rücksicht auf unschöne Nebengeräusche wüst umgegangen und der filigrane Korpus wird durch rhythmisches Geklopfe traktiert. Alles, was den Violalehrer in den Wahnsinn treiben würde, ist hier erlaubt und sogar gewollt. Anni Rossis Songs sind kurz und intensiv – selten überschreiten sie die Drei-Minuten-Grenze, und doch passiert so viel in diesen frechen Kompositionen, die alle paar Sekunden einen Haken schlagen und durch unvermittelte Rhythmus-, Harmonie- und Tempowechsel überraschen.

Ähnlich frech und unkonventionell ist auch Anni Rossis Gesang, der in seiner Kompromisslosigkeit manchmal an Joanna Newsom denken lässt. Ihre Stimme überschlägt sich gerne einmal und es wird gequietscht und gejodelt was das Zeug hält. Anni Rossi kann aber auch durchaus „schön“ singen, und gerade durch diesen Kontrast zwischen schon fast braven Gesangspassagen und den exzentrischen Ausbrüchen wirken ihre Songs besonders intensiv. Live-Auftritte dieser Dame müssen ein Erlebnis sein.

Das Schöne bei diesem in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlichen Album ist, dass von der Energie, die diese Songs in sich tragen, so viel beim Hörer ankommt. An einem einzigen Tag wurde Rockwell mit Steve Albini aufgenommen, und so hört sich das Ganze auch an. Angenehm roh und direkt kommt „Rockwell“ daher. Ecken und Kanten wurden nicht abgeschliffen, und kleinere Unsauberkeiten wurden in Kauf genommen, um „Rockwell“ zu einem solch intensiven Hörerlebnis werden zu lassen.

„Rockwell“ ist mutig, erfrischend, anspruchsvoll und zugleich unglaublich kurzweilig. Das Niveau wird aber nicht durchgehend gehalten. Der Opener „Machine“ legt die Messlatte bereits so hoch, dass jeder nachfolgende Song eigentlich nur verlieren kann. Es ist nicht so, dass auf „Rockwell“ schlechte Songs zu hören sind, aber wenn man Stücke wie „The West Coast“ oder „Wheelpusher“ gehört hat, die einem zeigen, wozu Anni Rossi in der Lage ist, enttäuscht so manch anderer Song dann doch etwas. Außerdem ist „Rockwell“ mit gerade einmal einer knappen halben Stunde Spielzeit etwas kurz geraten. Dennoch ist Anni Rossis Debüt bisher eines der spannendsten Alben des Jahres und macht neugierig auf zukünftige Veröffentlichungen. So uncool ist die Bratsche also gar nicht.

Kilian Braungart

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