Ed Tullett ist sich bestimmt darüber bewusst, dass er allein durch seinen Falsett-Gesang so schnell niemanden beeindrucken kann. Es gibt einfach zu viele Musiker, die in den letzten Jahren ihren Gesang zu ihrem Aushängeschild machten. Selbst der 22-jährige Brite ist durch einen Remix von Bon Ivers „Hinnom, TX“ bekannt geworden und weiß also genau, auf was für ein Pflaster er sich da begibt. Es ist daher kein Wunder, dass er auf seinem Debüt „Fiancé“ Einiges auffährt, um den Hörer von seinem musikalischen Können zu überzeugen.

Schon der Opener „Irredeemer“ macht es deutlich: Tullett will, dass man sich mit seinen Songs ernsthaft auseinandersetzt, sich an Dissonanzen reibt und seine Stimme nicht einfach nur als effekthascherisches Stilmittel wahrnimmt. Düster, hart und kantig klingen seine Songs, ohne sich klar einem Genre zuordnen zu lassen. Meist sind es recht einfache Songgerüste, mit denen Ed Tullett spielt und an denen er manchmal schon fast etwas zu verbissen herumwerkelt. Hauptsache, es geht nichts zu leicht ins Ohr und kein Produktionsteam einer kitschigen TV-Serie kommt auf die Idee, einen seiner Songs für die musikalische Untermalung einzusetzen.

Doch vielleicht ist dieser alles überschattende künstlerische Anspruch der größte Kritikpunkt, den man bei „Fiancé“ anführen kann und der, wie es bei Musik eben meistens ist, so schwer fassbar ist. Jeder Song des Albums klingt anders, beeindruckt vor allem auch auf Kopfhörern durch seine kristallklare Produktion und zeugt von großem Perfektionismus. Doch irgendwie fehlt es „Fiancé“ oft an Herz. Man hört interessiert zu und respektiert dieses Album für das, was es ist. Doch das Potenzial, ein Lieblingsalbum zu werden, muss man Ed Tulletts Debüt leider absprechen. Vielleicht sollte er die Sache manchmal doch nicht ganz so verkopft angehen? Dennoch gilt es, dieses Album als Statement wahrzunehmen und abzuwarten, wie die weitere Entwicklung dieses jungen Künstlers aussehen wird.

Kilian Braungart

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