Rezension

Fucked Up

Glass Boys


Highlights: Sun Glass // DET // The Great Divide // Glass Boys
Genre: Hardcore // Punk Rock
Sounds Like: Black Flag // Negative Approach // Poison Idea

VÖ: 30.05.2014

Was kommt nach der Tour mit den Foo Fighters? Der 80minütigen Rockoper? Dem kanadischen Polaris-Musikpreis? Dem Album des Jahres in der amerikanischen Spin? Der nächste logische Schritt ist wohl der große Durchbruch. Ein gewiefter Manager und Lanxess Arena, Hans-Martin-Schleyer-Halle, ja sogar die Waldbühne sollten doch mit solchen Voraussetzungen zu knacken sein. Doch halt. Fucked Up sind nicht irgendeine Rockband (Pssst: Der Name!). Fucked Up spielen, nun immerhin seit mehr als zehn Jahren, brachialsten, stets vorwärtsdenkenden Lärm. Quasi ein Wunder, dass die es überhaupt in die Feuilletons dieser Welt geschafft haben. Ist grenzenloses Wachstum also überhaupt als Band, deren Sänger ein schreiender dicker Mann ist, möglich?

Was kommt danach? Fucked Up verweigern die Entwicklung, gehen zurück an den Anfang – und enttäuschen damit erst mal nach vier Jahren Wartezeit gehörig. „Glass Boys“ will wieder Hardcore im eigentlichen Sinne des Wortes sein. Ein bisschen Poison Idea, ein wenig Negative Approach, viel Black Flag. Also ruppig, schmuddelig, euphorisierend und natürlich auch ein bisschen gefährlich. Eigentlich ihr gutes Recht. Doch damit werfen Fucked Up ihre gesamte Ideologie über Bord; sie definieren Punk als längst etabliertes musikalisches Genre mit strengem Regelkodex und nicht länger als vorwärtsdenkende Geisteshaltung. „Glass Boys“ wurde eigentlich schon unzählige Male von unterschiedlichsten Bands aufgenommen, sogar Fucked Up haben mit „Hidden World“ bereits 2006 ein vergleichbares Album veröffentlicht.

Natürlich, irgendwie kann man dieses Album als Kapitulation vor überzogenen Erwartungshaltungen interpretieren. Wer es gar nicht erst versucht, kann auch unmöglich scheitern. Trotzdem kann dieser Ansatz einer so umtriebigen Band nicht genügen. Gerade wenn man „Glass Boys“ nun mit dem großen Bruder und Jahrhundertwerk „David Comes To Life“ vergleicht, werden die Defizite deutlich. Das beginnt mit der zu Tode komprimierten Produktion, die Authentizität anstrebt und die Arrangements in einem breiigen Sumpf versenkt. Sicher, die einzelnen Lieder von „Glass Boys“ sind immer noch besser als das, was die meisten Bands in diesem Genre zusammenstümpern. Die Poppigkeit von „Sun Glass“, das alles zermalmende „DAT“ oder der überraschend epische abschließende Titelsong; das sind – objektiv betrachtet – gute Lieder. Die große Vision, das kleine Extra, was man beim Kauf einer Fucked-Up-Platte erwartet, fehlen hingegen.

Fucked Up bleiben trotz dieser Stagnation mit meilenweitem Abstand die wichtigste Hardcore-Band dieses Jahrzehnts. Wahrscheinlich lässt sich ein Monolith wie „David Comes To Life“ eh nicht toppen. Sicher ist hingegen, dass es für jede Lebensphase eine bestimmte Zeit gibt. Und die ungestümen Raubeine aus dem feuchten Proberaum nimmt ihnen nun keiner mehr wirklich ab. Ein positiver Aspekt hat dieser Stillstand trotzdem: Vielleicht haben mit „Glass Boys“ junge, aufstrebende Bands nun immerhin eine Chance, gleichzuziehen.

Yves Weber

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