Rezension

Gary

Hey Turtle, Stop Running!


Highlights: Love is Love // Epitaph
Genre: Indie-Pop // Indie-Rock
Sounds Like: Pavement // Ash // The Lemonheads

VÖ: 09.03.2012

Schildkröten sind langsame Tiere, die sehr alt werden können. Die Aufforderung, gleichzeitig Albumtitel, „Hey Turtle, Stop Running!“ will die Schildkröte in ihrer Behäbigkeit offensichtlich unterstützen. Diese Erkenntnisse plus das eher schlichte Cover der neuen Platte von Gary reichen offenbar aus, um Rezensenten sowie die Band selber davon zu überzeugen, dass hier ganz massive Gegenwartskritik betrieben wird: gegen den Hipster, gegen die Schnelllebigkeit, gegen die ewige Sucht des Trendsettings. Wirkt künstlich aufgebauscht? Ist es auch! Vor allem, wenn man sich dazu das von Gary verfasste „Manifest der Schildkröten“ auf der bandeigenen Facebook-Seite parallel zum Ewig-Sing-Sang der neuen Platte durchliest.

Bedeutungsschwangere Zeilen wie „Welten entstehen und verschwinden. [...] Aber unsere Art überlebt. Wir haben den Panzer, um alles abzuwehren. Wir haben eine Gelassenheit, wie sie auf dem blauen Planeten selten anzutreffen ist.“ kann man hier lesen. Aha, Gary are going for eternity here, und das alles vollkommen unaufgeregt – man kann auch sagen: fad.

Genau zwischen diesen beiden Prädikaten bewegt sich „Hey Turtle, Stop Running!“ tatsächlich: ob das Gitarrenmuster schnellere oder langsamere Rhythmik vorweist, die Stimmen Stadlobers und Noventas lauter oder leiser zu hören sind oder die Instrumentierungen intensiver oder oberflächlicher texturiert sind – alles ist hier durchzogen von einer geradezu federnden Leichtigkeit. Wie so oft kann das Segen und Fluch zugleich sein, denn wo auf Songlänge von etwa dreieinhalb Minuten Garys permanent präsente Entspanntheit sympathisch wirken kann, langweilt sie auf Albumlänge so stark, dass man am liebsten den Mixer anschalten möchte, damit mal was passiert.

Wie bereits auf den Vorgängeralben machen Gary auch hier kein Geheimnis daraus, welche Bands für ihre musikalische Sozialisation verantwortlich sind: Teenage Fanclub, Dinosaurier Jr. oder Pavement lassen grüßen. Allerdings ist es die eine Sache, sich von seinen Helden inspirieren zu lassen, die andere Sache ist es, als ewig Gestriger die 90er Eckpfeiler (naiver Gitarrenpop, einfache Akkordabfolgen, Becks „I'm a loser“-Attitüde und geradlinige Melodien) bis zum Exzess auszureizen. Aber genau das scheint Garys Intention gewesen zu sein: „Unser Kampf ist ein Einfach-stehen-bleiben.“ (Manifest der Schildkröten)

Garys Konservativismus kann man nun mögen oder nicht, man wird der Band ihr Gespür für hübsche, kleine Melodien jedoch nicht absprechen können. Songs wie „Epitaph“, „Love Is Love“ und „You, Lou And Stephen Ca. 1995“ bestechen durch eingängige Schnörkellosigkeit und nisten sich schon mal in den Gehörgängen ein, so dass „Hey Turtle, Stop Running!“ durchaus eines von vielen potentiellen Sommeralben sein kann.

Am Ende des Tages sind Gary wie Nudeln mit Tomatensauce: es ist kein großer Aufwand vonnöten, es schmeckt den meisten, macht solide satt, geht eigentlich immer; wird einen aber niemals überraschen.

Silvia Silko

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"Love is Love" als Stream
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