Rezension

Kris Ellestad

No Man Is Land


Highlights: Shame // Sorry Booin' // Moon In The Trees // The Secret
Genre: Folk // Singer-Songwriter // Roots
Sounds Like: Nic Dawson Kelly // Antony & The Johnsons // Bon Iver // Evening Hymns // Leif Vollebekk

VÖ: 01.03.2011

Archaische Flötenklange, eigentümlicher Jodelgesang – man kann es wirklich keinem verdenken, wenn er „No Man Is Land“, dem neuen Album des kanadischen Musikers Kris Ellestad, nach den ersten Sekunden des Openers „Hours Of The Rat“ aus dem CD-Player verbannt. Allerdings muss man aber mit aller Deutlichkeit sagen: Wer diesen Schritt geht, nimmt sich zugleich die Chance, eines der kreativsten, vielfältigsten und atmosphärischsten Folkalben der letzten Jahre kennenzulernen.

Kris Ellestad ist ein junger Musiker aus Calgary, ein Soundtüftler, immer auf der Suche nach neuen Klängen. Sein fünf Jahre altes Debütalbum „Third Person“ und die 2008 erschienene „Hibernation EP“ legen davon Zeugnis ab. Es sind bei all den zugänglichen Momenten, die sie hin und wieder zu bieten haben, im Ganzen doch sehr sperrige Werke, die traditionellen Folk und Experimente mit dissonanten Klängen unter einen Hut zu bringen versuchen. Umso überraschender ist es, dass „No Man Is Land“ bei all seinen ungewöhnlichen Ideen ein Album voller wunderschöner Einzelsongs geworden ist, die sich zwar wild zwischen verschiedenen Genres bewegen und unzählige Einflüsse in sich aufsaugen, in ihrer Gesamtheit ein zwar durchaus abenteuerliches, aber wunderbar rundes Ganzes ergeben. Mit einer unbeirrbaren Zielstrebigkeit sucht Ellestad hier die Melodien, hält sie fest und gestaltet sie mit perfektionistischer Sorgfalt aus. Vom in sich ruhenden nostalgischen Walzer „Run Me Down“, dem auf den Punkt gebrachten, aber etwas zwielichtigen „Shame“, dem bis zum Äußersten (und das ist nicht nur so dahingesagt) gehenden „Sorry Booin'“, dem zauberhaften „Moon In The Trees“, das es tatsächlich schafft, die im Text beschriebene Szenerie musikalisch unheimlich adäquat umzusetzen und dem schon fast rockigen „In The Meantime“, in dem Ellestad zunehmend die Kontrolle über sich verliert – „No Man Is Land“ ist eine Schatztruhe, die keinen Boden zu haben scheint.

Das Schöne dabei ist, dass hier alles so selbstverständlich passiert, dass man nie irritiert wird von all den Haken, die „No Man Is Land“ im Laufe seiner 48 Minuten schlägt. Ellestad schafft es, sein Album bei all den Überlegungen und Experimenten, aus denen heraus es wohl entstanden ist, nie verkopft klingen zu lassen – und hierin liegt wohl sein größtes Talent. Es ist sein Gespür dafür, immer das richtige Maß zu finden und es bei all seinen Ambitionen zu vermeiden, Dinge zu verkomplizieren. Es mag trotz Ellestads vom ersten Moment an ungemein fesselndem Gesang seine Zeit dauern, bis man sich an seine unkonventionelle Ausdrucksweise gewöhnt hat – ist man jedoch erst einmal in den Klangwelten von „No Man Is Land“ versunken, kommt man nicht mehr so einfach davon los. Irgendwann macht dann sogar der ungewöhnliche Eröffnungstrack Sinn. Eine derart überzeugende Verbindung von künstlerischem Anspruch und schlichter Schönheit bekommt man wirklich nicht oft zu hören.

Kilian Braungart

Hören


Kompletter Album-Stream

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!