Rezension

Locas In Love

Winter


Highlights: Falling // Eissturm // Packice
Genre: Deutschpop
Sounds Like: The National // Magnetic Fields // Philistines Jr. // Barbara Morgenstern // The Dackel 5

VÖ: 28.11.2008

"Winter", ja, es ist Winter – meteorologisch zumindest, nicht kalendarisch – und die nunmehr nur noch drei Locas In Love (plus International Locas In Love Players) präsentieren ihr neues Album namens "Winter". Ein Album, das kein reguläres Studio-Album sein soll, sondern als "Seasonal Greetings"-LP zu verstehen ist, als Weihnachtsgeschenk für die Freunde guter Musik.

Also nicht als Nachfolger von "Saurus" sondern als winterliche Fortführung des selben überzeugt es mit den gleichen Qualitäten, die schon "Saurus" zum persönlichen Album des Jahres 2007 machten, erneuert jedoch den Klang der Locas zu wenig, um auf gleichem Niveau zu überzeugen. So ähnelt "Wintersachen" – sicherlich gewollt und im Titel dies bereits ankündigend – dem "Saurus" eröffnenden "Sachen" und auch "Maschine" sowie "Bushwick" vertrauen arg auf die bereits auf "Saurus" präsentierten Melodien. Neben einem weihnachtlich inszenierten "Ring Of Fire"-Cover und einer eisigen, ängstigenden und den eigentlichen Rahmen des Albums verlassenden Neuinterpretation des "Twin Peaks"-Themas "Falling" widmen die drei Locas Björn Sonnenberg, Jan Niklas Jansen und Stefanie Schrank ihr unbeschreibliches Songwriter-Talent vollkommen der Inszenierung des selbst auferlegten Winter-Themas.

Als vielleicht melancholischste und beste Geschichtenerzähler des deutschen Indiepop präsentieren sich die drei gleichberechtigt nebeneinander als Sänger und Fabulierer. Von der eröffnenden Kryonik-Studie "Packeis" über das behaglich-romantische "Eulen" zur winterdepressiven "Maschine", von der Heimfahrt im "ICE Wilson Bentley" über die spröde Beschreibung des zweisamen winterlichen Abends in "roder" zur hymnischen Kapitulation vor den schönen "Wintersachen" gibt schon die erste Albumhälfte mehr als genug Material für die Zitatesammlung und das persönliche Kopfkino. Mit "Christmas No. 1 Hit (Lucky Kitty Maneki Neko)" schafft die Band tatsächlich denselben, der in einer besseren Welt in eine Liga mit "Last Christmas" aufsteigen könnte, und "Eissturm" erscheint unterkühlt, feiert jedoch auch wohlig an der warmen Heizung sitzend das Leben.

Musikalisch überzeugt "Winter" mit der Locas-üblichen unaufgeregten Schönheit, dem überragenden Gefühl für bezaubernde Melodien, für spannungsgeladene melancholische Arrangements und den perfektionistischen Einsatz jedes noch so kleinen Elements. Im Wohnzimmer in Köln und in einer Bruchbude in Brooklyn aufgenommen, pendelt Winter zwischen countryesk-folkiger Lo-Fi-Gemütlichkeit und beschwingter Pop-Herrlichkeit zum Träumen für die große Masse. Das Spannende an "Winter" wie auch schon an "Saurus" ist nicht zuletzt, dass bei jedem Hören in jedem Takt eine neue Überraschung warten kann, dass bei jedem Hören in jedem Song neue Entdeckungen zu machen sind, dass die vielschichtigen Arrangements immer wieder neue Lücken offenbaren, durch die die kleinteilig perfekte, einfach schöne Struktur der Locas-Songs durchscheint. Das beginnt in den schwermütigen, mit Streichern unterlegten "Packeis" und "Eulen", setzt sich im walzernden, glocken-bespielten "ICE Wilson Bentley" und den barocken "Wintersachen" fort und kulminiert in den unterkühlten Eiskristallen "Falling" – eher ambient – und "Eissturm" – wieder walzernd –, bevor LD Beghtol als Gast das "Packeis" als "Packice" und "Winter" als Ganzes triumphal beendet.

Mit "Winter" gelingt den Locas In Love kein zweites Meisterwerk wie "Saurus", sondern einfach nur eine kleine charmante Perle zum Jahresausklang. Eine gelegentlich etwas zerrissene Schönheit, die sehnsüchtig auf das nächste "reguläre" Album warten lässt und die Spannung erhöht, wie ein "Locas Electronicas"-Album oder die nächste "unkommerzielle" Karpatenhund-Platte klingen mögen – alle drei für 2009 vorgesehen.

Oliver Bothe

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