Rezension

Ra Ra Riot

The Rhumb Line


Highlights: Ghost Under Rocks // Dying Is Fine // Run My Mouth
Genre: Indie // Pop
Sounds Like: Vampire Weekend // Arcade Fire // Tokyo Police Club

VÖ: 04.10.2008

Wie soll es mit einer Band weitergehen, nachdem ein Mitglied ein tragischer Tod ereilt hat? Belastet einen der Verlust nicht zu sehr, als dass man einfach da weitermachen könnte, wo man aufgehört hat? Oder ist man es dem Verstorbenen nicht etwa schuldig, die einst gemeinsam gefassten Pläne fortzuführen? Solche Fragen muss sich auch die junge Band Ra Ra Riot gestellt haben, nachdem im Juni 2007 ihr Drummer John Pike im Alter von 23 Jahren tot aufgefunden wurde.

Ra Ra Riot stammen aus Syracuse, New York und erinnern vor allem gesanglich an die Freunde und Musikerkollegen von Vampire Weekend aus Brooklyn, liefern aber im Gegensatz zu deren fröhlicher Sommerplatte den richtigen Soundtrack für den Herbst ab. Sie können – der Name lässt es vermuten – wild und ekstatisch sein, nicht umsonst erlangten sie durch ihre leidenschaftlichen Auftritte schnell einen hohen Bekanntheitsgrad. Das wohl auffälligste Merkmal ihrer Musik sind die ausgeklügelten Streicherarrangements, die das gesamte Album durchziehen.

Bereits in den ersten Sekunden des Eröffnungstracks "Ghost Under Rocks" beginnt die Symbiose der doch so verschiedenartigen Instrumente, als sich eine Violine mit Pizzicati zu einem ungestüm gespielten Cello gesellt, das sich seine Stimme zunächst mit dem E-Bass teilt. Während Rebecca Zeller an der Violine und Cellistin Alexandra Lawn einander in den Strophen elegant umspielen, verleihen sie dem Refrain die vom Text geforderte Dramatik. Der Song steigert sich mit seinen energetischen Drums schließlich zu einem stürmischen Finale, das sich hinter keinem Arcade-Fire-Song zu verstecken braucht. "Here you are, breathing life into ghosts under rocks like notes, found in pocket coats of your fathers, lost and forgotten" singt Wesley Miles mit seiner stets klaren Stimme. Der Tod und sein Einfluss auf die eigene Lebensführung stellen ein zentrales Thema von "The Rhumb Line" dar. Da verwundert es nicht, dass einige Songs einen Bezug zu Pikes Tod zu haben scheinen, obwohl sie bereits zuvor entstanden sind.

Jedoch ist "The Rhumb Line" kein reines Traueralbum, ein Songtitel wie "Dying Is Fine" hat zwar im Kontext von Pikes Tod einen bitteren Beigeschmack, entpuppt sich aber als eine euphorische, lebensbejahende Hymne. "St. Peter's Day Festival" und "Can You Tell" zählen zu den leichteren Popsongs, die einen Gegenpol zum recht düsteren Grundtonus des Albums bilden. In "Too Too Too Fast" bekommt man einen zunächst etwas deplatziert wirkenden Synthesizer zu hören, der sich dann aber doch erstaunlich gut in den Song einfügt. Nach einem gelungenen Cover von Kate Bushs "Suspended In Gaffa" schließt das Album mit dem sich dramatisch aufbauenden "Run My Mouth", das mit dem Opener eine stimmige Einheit bildet.

Man sollte sich aufgrund der tragischen Umstände der Entstehungsgeschichte von "The Rhumb Line" nicht blenden lassen, was seine tatsächlichen Qualitäten betrifft. Hier handelt es sich allerdings um ein stilistisch zwar nicht allzu originelles, jedoch musikalisch überzeugendes Debütalbum, das konstant sein hohes Niveau hält. Ra Ra Riot haben im Sommer letzten Jahres ohne Frage die richtige Entscheidung getroffen. Auf "The Rhumb Line" verarbeiten sie ihre Vergangenheit und triumphieren über den Tod.

Kilian Braungart

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